Chronotherapie und Erkrankung: Den circadianen Rhythmus für eine effektivere Behandlung nutzen

Rund 60 Prozent der amerikanischen Erwachsenen nehmen ein verschreibungspflichtiges Medikament ein und noch viel mehr nehmen zusätzlich rezeptfreie Medikamente. Könnte das Erkennen eines Zusammenhangs zwischen der Tageszeit, zu der wir unsere Medikamente einnehmen, und ihrer Wirksamkeit bei der Behandlung von Krankheiten, die bahnbrechende Praxis namens Chronotherapie sein, die unsere Medikamente effektiver macht?

Im Beipackzettel Ihres Medikaments sind der Name des Medikaments, die Dosierung und die Angabe, ob das Medikament mit oder ohne Nahrung eingenommen werden soll, aufgeführt. Allerdings wirken viele Medikamente am besten, wenn sie zu bestimmten Zeiten während des Schlaf-Wach-Zyklus eingenommen werden. Tatsächlich weisen neueste Studien darauf hin, dass der Zeitpunkt der Einnahme einer der wichtigsten Faktoren sein dürfte, der bestimmt, auf welche Weise viele Medikamente wirken und wie oft wir unter Nebenwirkungen leiden. Zukünftig könnte Ihnen Ihre verschreibungspflichtige Arzneimittelflasche möglicherweise anzeigen wann Sie Ihre Medikamente für eine optimale Wirkung einnehmen sollten.

Was ist Chronotherapie?

Vereinfacht ausgedrückt, ist die Chronotherapie die wissenschaftliche Lehre vom richtigen Zeitpunkt der Einnahme von Medikamenten, so dass sie zu den Tageszeiten verabreicht werden, zu denen sie wahrscheinlich am wirksamsten sind und/oder die geringsten negativen Nebenwirkungen verursachen. Unser Körper wird von inneren Uhren gesteuert, die nicht nur kontrollieren, wann wir schlafen und aufwachen, sondern auch, wann wir Lipide produzieren, wann sich unsere Zellen teilen und vieles mehr. Die zeitliche Abstimmung von Medikamenten auf die entscheidenden Phasen unseres Stoffwechsels kann eine größere therapeutische Wirkung bei niedrigeren Dosen bedeuten.

Wie funktioniert das im wirklichen Leben? Denken Sie zum Beispiel an das gängige Beispiel von Medikamenten gegen Bluthochdruck, auch bekannt als Hypertonie. Der Blutdruck hat seinen eigenen circadianen Rhythmus, der in der Regel am Morgen seinen Höhepunkt erreicht, wenn das Cortisol am höchsten ist. Doch bei vielen Menschen mit Bluthochdruck sinkt der Blutdruck auch in der Nacht nicht. Aus diesem Grund kann es für viele von Vorteil sein, ihre Bluthochdruckmedikamente vor dem Schlafengehen einzunehmen, um eine optimale Wirkung zu erzielen. Tatsächlich hat eine Studie über Bluthochdruck-Medikamente ergeben, dass die Einnahme von mindestens einem blutdrucksenkenden Mittel zur Schlafenszeit die Kontrolle des Bluthochdrucks verbessern und das Risiko eines zukünftigen kardiovaskulären Vorfalls verringern kann. Bluthochdruck-Medikamente sind nicht die einzigen, die eine größere Wirkung haben können, wenn sie zu bestimmten Zeiten eingenommen werden; es wurde herausgefunden, dass Behandlungen für Osteoarthritis, Sodbrennen und andere Medikamente am besten wirken, wenn sie zu bestimmten Tageszeiten eingenommen werden.

Wann ist der Zeitpunkt wichtig?

Der Tageszeitpunkt entscheidet über viel mehr als darüber, ob wir wach sind oder schlafen. Alle Körperzellen des Menschen laufen nach einer circadianen 24-Stunden-Uhr. Wenn die Augen aufhören, Licht wahrzunehmen, produziert unser Körper Melatonin, das uns beim Einschlafen hilft und dem Körper außerdem signalisiert, dass es Zeit für entscheidende Reparaturarbeiten an unseren Zellen und unserer DNA ist. Im Morgengrauen beginnt unser Körper mit der Produktion von Cortisol, einem Hormon, das mit Stress in Verbindung gebracht wird, aber auch an der Wachsamkeit und der mentalen Funktion beteiligt ist.

Was bedeutet das für unsere Medikamente? Medikamente, die auf sich schnell vervielfältigende Zellen, wie z.B. Immunzellen und Krebszellen, abzielen, können am besten wirken, wenn sie dann eingenommen werden, wenn sich diese Zellen am schnellsten teilen. Darüber hinaus kann die Einnahme von Medikamenten zu dem Zeitpunkt in unserem täglichen Hormonzyklus, an dem wir sie am dringendsten benötigen, die gleiche Wirkung mit einer niedrigeren Dosierung und weniger Nebenwirkungen erzielen, wie das Beispiel der Bluthochdruckmedikamente verdeutlicht. Man hat gerade erst begonnen zu entdecken, wie das Zeitfenster die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen kann, was viele Forscher und Ärzte dazu veranlasst, weitere Studien in diesem Bereich zu fordern.

Der richtige Zeitpunkt ist alles

Chronotherapy and Disease: Harnessing the Circadian Rhythm for More Effective TreatmentBei Medikamenten kann der Zeitpunkt tatsächlich ein entscheidender Faktor dafür sein, wie wir auf Behandlungen reagieren, die sowohl unser Wohlbefinden steigern als auch unsere Lebenserwartung verlängern. Auch beim Führen eines gesunden Lebensstils ist das Zeitfenster wichtig. Menschen, die beispielsweise spät in der Nacht essen, stellen die circadiane Uhr in ihrer Leber und Bauchspeicheldrüse zurück. Dies kann ihren circadianen Rhythmus für die nächsten Tage durcheinander bringen.

Die Einnahme von Medikamenten zur falschen Zeit kann denselben Effekt haben, obwohl diese Fragestellung definitiv weitere Studien benötigt, um eine eindeutige Antwort zu erhalten. Unser circadianer Rhythmus und unsere Körperzellen beeinflussen sich gegenseitig. Die Kommunikationsabläufe zwischen verschiedenen Zellen und Systemen sind so gut reguliert, dass schon kleine Veränderungen große systemische Auswirkungen haben können. Eine Überlastung der Leber durch Essen zu ungewöhnlichen Tageszeiten kann zu erhöhten Lipiden im Blutkreislauf und damit zu höheren Cholesterin- und Triglyceridwerten führen, die wiederum Schäden an Herz und Gefäßen verursachen können. Die Körperzellen funktionieren selbstständig, aber auch als Teile eines Ganzen. Das Begreifen dieses Wechselspiels zwischen verschiedenen Systemen wird entscheidend sein, um herauszufinden, wie die Chronobiologie unser Leben in Zukunft verbessern könnte.

Die Mehrheit von uns plant nicht, von verschreibungspflichtigen Medikamenten abhängig zu werden, doch die meisten von uns werden sie irgendwann in ihrem Leben einnehmen müssen. Neueste Forschungsergebnisse darüber, wie der Zeitpunkt den Stoffwechsel und die Wirkung von Medikamenten beeinflusst, könnten es uns in naher Zukunft ermöglichen, niedrigere Dosen einzunehmen und gleichzeitig mehr Wirkung zu erzielen. Die Chronotherapie könnte das Zukunftsthema der Pharmakologie sein.

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